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21.06.2022

Kälteurtikaria: Temperaturwechsel als Auslöser

Bei einer Urtikaria, auch Nesselfieber genannt, bilden sich stark juckende Quaddeln auf der Haut wie beim Kontakt mit Brennnesseln. Einer der möglichen Auslöser ist etwa Kälte. Wer daran leidet, für den kann der Sprung ins erfrischende Wasser schon einmal gefährlich werden.

Dr. med. Martin Glatz ist Facharzt für Dermatologie und Venerologie, Allergologie sowie klinische Immunologie. Für uns geht er dem Phänomen Kälteurtikaria nach und erklärt, wie es dazu kommen kann und was zu tun ist.

Herr Glatz, was ist Urtikaria – auch Nesselfieber genannt?

Martin Glatz: Urtikaria ist eine Überreaktion des Immunsystems inklusive seiner Mastzellen. Diese werden durch Reize und Allergene stimuliert und schütten biogene Amine aus. Diese Stoffe sind letztlich für die bekannten Symptome wie beispielsweise rötliche Hautausschläge mit stark juckenden Erhebungen oder tiefe Schwellungen der Haut verantwortlich.

Was sind die Auslöser von Kälteurtikaria?

In erster Linie die Temperaturwechsel und nicht die Kälte an und für sich. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Ein heisser Sommertag, 30 °C und Sie springen ins 20 °C kalte Wasser. Dieser Wechsel kann eine Kälteurtikaria auslösen.

Ist eine solche Reaktion des Körpers vorhersehbar?

Nein, und genau das ist das Problem. Es gibt keine eindeutigen Empfehlungen und dies verunsichert die Betroffenen.

Was ist der Unterschied zwischen der akuten und chronischen Form?

Ganz einfach: Wenn die Urtikaria während sechs Wochen oder länger immer wieder auftaucht, gilt sie als chronisch.

Weshalb sind Frauen häufiger betroffen als Männer?

Das stimmt so nicht. Es gibt weder einen Unterschied bei den Geschlechtern noch beim Alter. Es kann jeden treffen, es kann von einem Tag auf den anderen auftreten und es kann ebenso rasch wieder verschwinden…

Welche Extremitäten sind besonders betroffen?

Eigentlich der ganze Körper, insbesondere die ausgesetzten Körperpartien.

Wie stark kann Kälteurtikaria den Alltag beeinträchtigen?

Sehr unterschiedlich; es kommt sehr drauf an, wie stark eine Person betroffen ist. Es gibt immer wieder schwere Fälle von Urtikaria. Davon betroffene Menschen leiden und sind stark verunsichert – auch weil sie den Auslöser nicht kennen.

Wie wird Kälteurtikaria diagnostiziert?

Durch die Anamnese. Und die Vorgeschichte: Die Betroffenen erzählen, wie und wann die Urtikaria ausgebrochen ist; zum Beispiel beim Verzehr von Glacé, beim Sprung ins kalte Wasser usw. Eine genaue Diagnose ist aber nicht möglich, weil es keine Laborwerte gibt, die wir bestimmen können.

Welche Behandlungen sind möglich?

In einem ersten Schritt verschreiben wir den Patienten ein Antihistaminikum – falls dies nicht funktioniert, empfehlen wir eine Biologika-Therapie, bei der die Mastzellen blockiert werden.

Kann Kälterurtikaria lebensgefährlich sein?

In den meisten Fällen nicht, aber sie kann durchaus zu Kreislaufproblemen führen – besonders bei Menschen mit Herzerkrankungen. Mir persönlich sind aber keine Todesfälle bekannt.

Wie lebt man am besten mit Kälteurtikaria?

Indem man Antihistaminika einnimmt und sich regelmässig mit seinem Arzt abspricht und das Gespräch sucht, bevor es chronisch wird.

Interview von Denis Jeitziner, erschienen im aha!magazin, das man auch abonnieren kann.

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