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23.03.2016

Clevere Experimente entlarvten die Allergie

War König Richard III. wirklich allergisch auf Erdbeeren? Wann wurde der anaphylaktische Schock zum ersten Mal beschrieben? Spannendes und viele Fakten aus der Medizingeschichte zur Allergie-Forschung.

Es war eine dieser bahnbrechenden Entdeckungen in der Medizin, die 1902 gelang: Die beiden Forschenden Charles Richet und Paul Portier versuchten bei Hunden eine Toleranz gegenüber dem Gift von Seeanemonen zu erwirken. Während eines Experiments zeigte plötzlich ein kräftiges Tier ganz überraschend heftige Reaktionen, die zum Tode führten. Dies obwohl der Hund Tage zuvor viel höher dosierte Injektionen des Gifts unbeschadet überstanden hatte! Der Hund erlitt einen anaphylaktischen Schock wie es zum Beispiel auch einem schweren Erdnussallergiker widerfahren kann. Für die Beschreibung der «Anaphylaxie» erhielt Richet 1913 den Nobelpreis. 

In der gleichen Zeit konnte der Lausanner Physiologe Nicholas M. Arthus zeigen, dass eine anaphylaktische Reaktion auch auf an sich harmlose Stoffe wie Kuhmilch auftreten kann. Und ein Wiener Kinderarzt hatte 1906 ebenfalls Interessantes beobachtet – Clemens von Pirquet stellte fest, dass ein Geimpfter sich gegenüber einem Impfstoff anders verhielt, als ein Mensch, der mit dem Stoff noch nie in Berührung gekommen war. Bei Patienten zeigten sich Nebenwirkungen nach einer zweiten Injektion schon innerhalb von Minuten und nicht erst nach Tagen wie bei der ersten. 

Für diese veränderte Reaktionsfähigkeit des Körpers führte von Pirquet 1906 in der Münchner Medizinischen Wochenschrift den Begriff «Allergie» ein: zusammengesetzt aus den griechischen Wörtern «állos» mit der Bedeutung «anders» und «to érgon», was mit «Tätigkeit, Handlung» übersetzt werden kann.

Allergischer König und «Rosenerkältung»
Beschrieben wurden allergische Reaktionen aber bereits viel früher: In Erzählungen über den englischen König Richard III. tauchen Anzeichen auf, dass dieser allergisch auf Erdbeeren war. Aber nicht nur Nahrungsmittel plagten die alten Herrscher, so soll etwa der ägyptische Pharao Menes (2640 v. Chr.) Wespengiftallergiker gewesen sein. Und Überlieferungen aus Persien aus der Zeit vor rund 1000 Jahren berichten, dass viele Menschen stets im Frühjahr Schnupfen bekamen. 

Konkreter wurden die Erkenntnisse über Allergien im 16. Jahrhundert, als die Forschenden dem Heuschnupfen auf die Spur kamen: Der italienische Anatom Leonardo Botallo beobachtete 1565, dass einige Menschen, die sich in der Nähe von blühenden Rosen aufhielten, von Atembeschwerden befallen wurden. Sie hatten die «Rosenerkältung». 1819 beschrieb der Londoner John Bostock die jahreszeitlich bedingte «Sommererkältung» und um 1870 kam Forscher Charles Harrison Blackley bei Experimenten an sich selber zum Schluss, dass dieser Heuschnupfen durch Pollen verursacht werden kann. 

Aufregender Selbstversuch bringts ans Licht
Bis allerdings der genaue Mechanismus der allergischen Reaktion – sei es auf eine Erdnuss, auf Pollen oder auch auf Eiweisse im Katzenspeichel – entschlüsselt wurde, dauerte es. Erst 1921 kamen ihm Carl W. Prausnitz und Heinz Küstner in einem beeindruckenden Selbstversuch auf die Schliche. Sie konnten zeigen, dass ein Bestandteil im Serum, das heisst im wässrigen Anteil des Blutes, die allergische Reaktion vermittelt: Küstner war gegen Fisch allergisch und Prausnitz gegen Pollen. Wenn Küstners Serum in die Haut von Prausnitz injiziert wurde, entwickelte sich dort schnell eine entzündliche Quaddel, wenn anschliessend Fischantigen injiziert wurde. Den dafür verantwortlichen Serumfaktor identifizierten 1966 der Japaner Kimishige Ishizaka und Forscherkollegen: Es ist das Immunglobulin E (IgE), das die allergische Reaktion hervorruft. 

Quellen: 
‪Enzyklopädie Medizingeschichte. Herausgeber: Werner E. Gerabek, ‪Bernhard D. Haage, ‪Gundolf Keil, ‪Wolfgang‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬ Wegner, Walter de Gruyter, 2007.‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬

100 Jahre Allergie: Clemens von Pirquet – sein Allergiebegriff und das ihm zugrunde liegende Krankheitsverständnis. Autor: Benedikt Huber, 2006.

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