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Wenn Abwasser Aufschluss über Allergien gibt
Abwasser kann erstaunlich viel über unsere Gesundheit verraten. Forschende der Eawag haben Proben aus zehn Regionen der Schweiz untersucht und dabei festgestellt: In den Abwässern lassen sich nicht nur Spuren von Viren oder Drogen, sondern auch Hinweise auf allergische Erkrankungen erkennen.
Medikamente als Spiegel der Pollensaison
Die Forschenden der Eawag untersuchen Abwasserproben aus verschiedenen Regionen der Schweiz. Dabei fanden sie Rückstände von Antihistaminika, also Medikamenten, die viele Menschen bei Heuschnupfen einnehmen. Auffällig waren die ausgeprägten zeitlichen Schwankungen der Wirkstoffe im Abwasser, die bei den verschiedenen Antihistaminika nahezu im Gleichklang verliefen und eng mit den Pollenmesswerten korrelierten. Besonders deutlich zeigte sich dieses Muster bei den weit verbreiteten Wirkstoffen Fexofenadin, Bilastin und Cetirizin. Die Forschenden folgern daraus, dass Abwasseranalysen zusätzliche Einblicke in allergische Beschwerden und deren Behandlung auf Bevölkerungsebene geben können, die sonst nur schwer zu erfassen sind.
Neue Möglichkeiten für die Allergieüberwachung
Laut den Forschenden könnte die Abwasseranalyse künftig dabei helfen, die Intensität der Pollensaison besser einzuschätzen als Ergänzung zu den bestehenden Pollenmessungen in der Luft. Die Daten von MeteoSchweiz, die in der kostenlosen App «Pollen-News» genutzt werden, bleiben weiterhin zentral, könnten aber durch diese neuen Informationen ergänzt werden. Für Allergikerinnen und Allergiker wäre das eine zusätzliche Information, um ihre Symptome besser einordnen zu können.
Ein realistisches Bild der Bevölkerung
Die Methode ist einfach, kostengünstig und liefert ein objektives Bild, ohne auf Umfragen angewiesen zu sein. Die Analysen der Antihistaminika erfolgen aus denselben Abwasserproben, die auch für das Monitoring infektiöser Krankheiten und des Drogenkonsums an der Eawag untersucht werden. Dies umfasst regelmässige Proben von 10 Kläranlagen seit 2021, die etwa 23% der Schweizer Bevölkerung abdecken. Mit diesen Daten könnten Forschende künftig nicht nur besser verstehen, warum Allergiesymptome manchmal stärker ausfallen, sondern auch neue, bisher wenig bekannte Allergene identifizieren.
Auch Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung, Wetter und der Klimawandel beeinflussen, wann und wie stark Pflanzen blühen. Mit der Kombination aus automatischer Pollenmessung und regelmässiger Abwasseranalyse könnte die Allergieüberwachung in Zukunft noch genauer werden – zum Nutzen aller Betroffenen.
Wir haben mit Dr. Stephan Baumgartner, Erstautor der Studie, über die Ergebnisse gesprochen:
Was hat Sie an den Ergebnissen überrascht?
Faszinierend ist die Vielfalt an Informationen, die sich im Abwasser verbergen. Aus denselben Abwasserproben können anonyme Daten zu infektiösen Krankheiten, Drogenkonsum, und eben auch Allergie Behandlungen auf Bevölkerungsebene gewonnen werden. Besonders spannend am Letzteren ist, dass wir auf diese Weise Einblicke in gesundheitliche Beschwerden erhalten, die zwar viele Menschen betreffen, sich aber auf Bevölkerungsebene üblicherweise nur schwer erfassen lassen, da sie zeitlich und örtlich stark schwanken. Zudem werden Betroffene oft nicht vollständig im klinischen Monitoring erfasst, und die Verkaufszahlen der Medikamente spiegeln den tatsächlichen Gebrauch bei Symptomen nur ungenau wider. Abwasseranalysen können diese Lücken schliessen und so wertvolle, ergänzende Erkenntnisse liefern - ein bislang kaum erforschtes Feld.
Könnten Abwasseranalysen künftig helfen, die Pollensaison besser einzuschätzen?
Ja, das ist realistisch. Wenn man Spuren von Antihistaminika mit Pollen- und Wetterdaten vergleicht, lassen sich wertvolle Hinweise auf Beginn und Stärke einer Allergiesaison gewinnen. So lässt sich besser verstehen, welche Faktoren die Symptome in der Bevölkerung beeinflussen und wie man darauf reagieren kann, um Beschwerden vorzubeugen oder sie zu lindern.
Worin liegt der Nutzen für die öffentliche Gesundheit?
Die Methode ist einfach, anonym, zuverlässig und liefert ein realistisches Bild, ohne auf Befragungen angewiesen zu sein. So könnten wir besser verstehen, wann und warum die Symptome zunehmen – und Betroffene könnten sich besser vorbereiten. Auch könnten bisher wenig bekannte Allergene wie Eibenpollen identifiziert werden.