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06.10.2025

Interview mit Prof. Dr. med. Camillo Ribi - Kann man sich an Äpfel gewöhnen?

Immer wieder wird diskutiert, ob eine Art Desensibilisierung durch regelmässigen Apfelverzehr möglich ist, ähnlich wie bei der spezifischen Immuntherapie (Hyposensibilisierung), die bei der Pollenallergie sehr wirksam ist. Wir haben dazu Dr. Camillo Ribi befragt. Er ist Leitender Arzt in der Abteilung für Immunologie und Allergie am Universitätsspital Lausanne (CHUV).

1. Kann ich mich durch regelmässiges Apfelessen an das Allergen gewöhnen?

Bei einigen Betroffenen mit milder Reaktion kann tatsächlich eine gewisse Toleranzentwicklung beobachtet werden. Das passiert zum Beispiel, wenn täglich eine kleine Portion Apfel gegessen wird. Allerdings ist das kein standardisierter Ansatz und funktioniert nicht bei allen. In manchen Fällen können Selbstversuche sogar kontraproduktiv sein. Deshalb wird empfohlen, eine Desensibilisierungsverfahren nur unter ärztlicher Aufsicht durchzuführen.

2. Wie läuft eine solche Desensibilisierung konkret ab?

In der Praxis wählen wir gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten eine Apfelsorte aus – idealerweise eine Sorte mit hohem Gehalt an «Mal d 1» und ganzjährig verfügbar, wie z. B. Golden Delicious. Der Apfel wird dann roh und unter ärztlicher Aufsicht verzehrt: zunächst in sehr kleinen Mengen, danach – sobald die erste Schwelle mit Symptomen überwunden ist – ein Apfelviertel bis hin zu einem ganzen Apfel.

Es kann zu einer Reaktion kommen. In diesem Fall wird die Desensibilisierung nach Abklingen der Symptome erneut aufgenommen. In der Regel ist es möglich, die Menge zu steigern und schliesslich die Dosis zu überschreiten, die ursprünglich eine Reaktion ausgelöst hatte. Die Patientinnen und Patienten werden während des gesamten Prozesses engmaschig überwacht, bis sich eine Toleranz einstellt.

Sobald ein Apfelviertel gut vertragen wird, kann dieselbe Menge am nächsten Tag ohne Symptome gegessen werden. Es ist dann sehr wichtig, diese Toleranz aufrechtzuerhalten, indem täglich ein Stück roher Apfel verzehrt wird. Bei einer Unterbrechung von mehreren Tagen ist es wahrscheinlich, dass die Allergie wieder auftritt.

Wichtig zu beachten: Dieses Verfahren ist keine offiziell anerkannte Therapie, sondern ein individueller Ansatz, der bei leichten Apfelallergien angewendet werden kann.

3. Gibt es eine Alternative für Personen mit starker Apfelallergie?

Eine spezifische Immuntherapie gegen Birkenpollen kann in manchen Fällen dazu beitragen, Kreuzreaktionen auf Äpfel zu verringern. Allerdings ist es nicht ungewöhnlich, dass diese Behandlung keinen Einfluss auf das sogenannte orale Allergiesyndrom hat. Gelegentlich kann es sogar vorkommen, dass sich eine Apfelallergie erst im Verlauf der spezifischen Immuntherapie gegen Birkenpollen entwickelt. In einem solchen Fall sollte dies der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt, die bzw. der die Desensibilisierung verordnet hat, unbedingt mitgeteilt werden.

Vereinzelte Symptome nach dem Verzehr von Äpfeln allein stellen daher noch keine ausreichende Indikation für eine spezifische Immuntherapie gegen Birkenpollen dar. Eine allergologische Abklärung ist hingegen sinnvoll, um festzustellen, ob die Beschwerden im Mund- und Rachenraum nach dem Verzehr von Äpfeln oder anderen rohen Früchten und Gemüsesorten tatsächlich auf eine Kreuzallergie zurückzuführen sind.

In seltenen Fällen kann eine Apfelallergie auf eine schwerere Form zurückgehen, die unabhängig von einer Birkenpollenallergie ist. In solchen Fällen richtet sich die Immunreaktion nicht gegen das Protein «Mal d 1», sondern gegen andere Proteine des Apfels. Diese Form der Apfelallergie kann derzeit nicht durch eine Desensibilisierung behandelt werden. Der vollständige Verzicht auf Äpfel bleibt dann die einzige mögliche Massnahme.

Fazit:

Eine Gewöhnung an Äpfel ist bei leichten Allergien unter ärztlicher Aufsicht möglich. Sie ist jedoch kein standardisiertes Verfahren und es ist nicht für alle geeignet. Für Betroffene ist die allergologische Abklärung unerlässlich, um Risiken zu vermeiden und individuelle Strategien zu finden. Denn keine Apfelsorte ist pauschal „sicher“. Eine persönliche Beratung und eine enge Begleitung sind daher zentral. Unterstützung und Informationen bietet die aha!infoline: 031 359 90 50.

[1]Matthes und Schmitz-Eiberger 2009

[2]Schmitz-Eiberger und Matthes 2011

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